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Fahrradtour USA: Tagebuch


Vom Lake Erie zum Mississippi

12. Tag   13. Tag   14. Tag   15. Tag   16. Tag   17. Tag   18. Tag   19. Tag

12. Tag: Dienstag, 18. Mai

Strecke:
Huron - Bogart Road - Bogart - Castalia - 412 - Fremont - Napoleon Road - Quinshan Road - Kimball Road - 6 - New Rochester - Zepernick Road - Housekeeper Road - 105 - Bowling Green

Wetter:
bis Fremont bewölkt, ab Fremont leichter Regen; starker Gegenwind

Distanz: 105 km   Zeit: 6,3 h   Geschwindigkeit: 16,7 km/h

Total:
Distanz:
1086 km   Zeit: 58,4 h   Ø Geschwindigkeit: 18,6 km/h   Ø pro Tag: 91 km
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Ich habe Glück: Die im Weather Channel angekündigten Stürme für die Toledo-Sandusky-Area bleiben aus. Es ist vorerst sogar sonnig; dann wird es allerdings immer grauer, je mehr ich nach Westen fahre, und ab Fremont regnet es leicht. Doch über den Regen will ich mich nicht beklagen, denn es ist der erste seit dem Starttag. Nein, der Regen ist gar nichts im Vergleich zum heutigen Gegenwind, der bisher noch nie so stark war. Ich fahre dauernd in kleinen Gängen und kämpfe gegen den Wind; es ist beinhart, so Fahrrad zu fahren.

Die Landschaft bietet wenig Neuigkeiten. Seit Ohio ist es ziemlich flach, links und rechts bis an den Horizont Getreide- und vor allem Maisfelder oder mit einem Totalherbizid abgespritzte Parzellen. Nur eine Baumreihe unterbricht ab und zu diese weite Ebene, auf der der Wind natürlich leichtes Spiel hat.

Ziemlich kaputt komme ich in Bowling Green an und suche mir an einer dieser Gas/Food/Lodging-Einfallstrassen das billigste Motel (Days Inn, 51 $).

In den USA fühle ich mich als Fahrradfahrer manchmal als ziemlicher Exot. Komplett ausserirdisch ist es aber, wenn man abends auf diesen Gas/Food/Lodging-Strassen zu Fuss geht, um an einer Tankstelle das Picknick und das Frühstück einzukaufen oder um ein Restaurant zu suchen. Das ist schlicht und einfach nicht vorgesehen; es gibt keine durchgehenden Trottoirs, so dass man irgendwo über Grünstreifen, Parkplätze und zwischen Tanksäulen hindurch stolpert; man ist weit und breit der einzige zu Fuss, und die Autofahrer starren einen durch die Scheiben an.
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13. Tag: Mittwoch, 19. Mai

Strecke:
Bowling Green - Sand Ridge Road - Weston - Sand Ridge Road - 108 - Florida - Elliott Road - Brunersburg - Buckskin Road - State Border OH/IN - 8 - Newville - Auburn

Wetter:
meist sonnig; mässiger Gegenwind aus Nordwest

Distanz: 131 km   Zeit: 6,5 h   Geschwindigkeit: 20,2 km/h

Total:
Distanz:
1217 km   Zeit: 64,9 h   Ø Geschwindigkeit: 18,8 km/h   Ø pro Tag: 94 km
Mehr Statistik und Zahlen

Heute verabschiede ich mich bereits wieder von Ohio. Der Gegenwind ist zum Glück weniger stark. Ich fahre vor allem wieder auf den County Roads, die sich in Ohio als Alternative zu den Highways sehr bewährt haben. Mit Hilfe des Delorme-Atlas finde ich mich auf ihnen leicht zurecht. Diese Strassen, die wie ein Netz den ganzen Staat überziehen, führen an Bauernhöfen vorbei, so dass fast kein Verkehr herrscht, und trotzdem sind sie Strassen in einem sehr guten Zustand. Wenn die grossen Highways stark befahren sind (und das ist aufgrund der Karte schwierig vorherzusagen), kann man so sehr einfach auf ruhigere Strassen ausweichen.

Je nachdem wie diese Landstrassen angelegt sind, wird die Strecke etwas länger oder kürzer im Vergleich zum mehr oder weniger parallel dazu verlaufenden Highway, aber die Unterschiede sind jedenfalls gering. Der einzige Nachteil dieser Strassen ist, dass man an den Orten vorbeifährt (so wie heute zum Beispiel an Defiance und Napoleon vorbei) und so nie an einer Tankstelle, an einem Grocery Store oder Food Market vorbeikommt. Dementsprechend kommt man auch weniger mit Leuten in Kontakt. Die Fahrt über diese County Roads ist ziemlich einsam und eintönig, aber mir gefällt's, und ich komme gut voran.

Auch heute ist die Gegend absolut flach, links und rechts Maisfelder, diesmal aber mit sichtbaren Spuren des Sturmes, dem ich gestern knapp entgangen bin. Oft stinkt es in dieser Gegend nach Schweinen. Zudem ist es der erste Tag, an dem mir Hofhunde nachrennen, was äusserst unangenehm ist. Es beisst mich zwar keiner, aber ich fürchte mich trotzdem jedes Mal davor und klicke mich präventiv aus den Pedalen aus.

Hier ist eine allgemeine Bemerkung zu den Tieren angebracht (sie gehört auch ins Kapitel Fahrradfahrer als Exot): Auf der rechten Strassenseite hat es entweder eingezäunte Weiden mit Rindern oder Pferden oder einen schmalen Graben zwischen Strasse und Feldrand, in denen sich bodenbrütende Vögel aufhalten. Erstaunt hat mich, als ich beobachtete, dass diese Tiere keine Reaktion zeigen, wenn ein Auto oder ein Truck an ihnen vorbeifährt. Hingegen reagieren die Tiere, sobald ich mit meinem Fahrrad auf ihrer Höhe bin: Die Vögel flattern auf, die Rinder heben den Kopf und schauen mir nach, die Pferde galoppieren erschreckt davon, und die Hunde, die bei einem Auto ruhig liegen bleiben, rennen mir nach und kläffen.

Grausig sind die vielen toten, überfahrenen Tiere auf den grossen Strassen. Von kleinen Eichhörnchen über Dachse bis zu Rehen liegt alles mehr oder weniger zerquetscht und mehr oder weniger verwest auf der Strasse herum. Schlimm ist der grausige Verwesungsgestank. Der geübte Fahrradfahrer nutzt aber auch diesen Gestank auf seine Weise aus: Riecht man den typischen Geruch des toten Tieres, bevor man es sieht, ist Gegenwind; im andern Fall Rückenwind.

Hier ist auch eine allgemeine Bemerkung zu den Pausen angebracht. Eigentlich würde ich ja am liebsten irgendwo gemütlich im (Wind)-Schatten etwas abseits der Strasse Pause machen und bei der längeren Pause um die Mittagszeit absitzen und die Beine etwas strecken. Doch so ein Plätzchen zu finden, ist schwierig. Weiden und Felder gehen bis an den Strassenrand, private Gärten ebenso; ist das Haus von der Strasse aus nicht zu sehen, hängen am Strassenrand und an der Zufahrtstrasse die ewig gleichen Schilder "Posted: Private Property. Keep Out. No Tresspassing. No hunting.". So verbringe ich meine Pausen meistens stehend an einer Kreuzung oder an einer Tankstelle, wo es Kaffee und Nachschub an Picknick gibt.

Staatsgrenze
Diskrete Staatsgrenzen: Grenzübertritt nach Indiana.

Das heutige Tagesziel war in erster Linie die Staatsgrenze zu Indiana, wo man allerdings nur mit einem mickrigen Schild "Indiana: State Line" empfangen wird. Nachher fahre ich ziemlich abgespannt und müde die 24 km nach Auburn. Leider und zu meiner Überraschung sind die County Roads, die ich von der State Border an nach Auburn nehmen wollte, nicht geteert (unpaved, loose gravel) und deshalb für längere Strecken zum Fahrradfahren unbrauchbar.

Nach meiner bisher längsten Tagestour nehme ich in Auburn erschöpft ein Motel (Budget Inn, 42 $); ich bin zu müde für den Campingplatz und esse wieder einmal an einer dieser Strassen, wo man Benzin, Kalorien und Schlaf tanken kann. Überrascht bin ich auch, als ich merke, dass ich in Indiana nach dem Grenzübertritt von Ohio bereits den ersten Zeitzonenwechsel hinter mir habe. Die gewonnene Stunde ist mir zur längeren Erholung und Retablierung sehr willkommen.
Bilanz Ohio
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14. Tag: Donnerstag, 20. Mai

Strecke:
Auburn - 8 - 327 - Garett - 205 - Columbia City - South Whitley - 14 - Silver Lake - Lowman Corner - 19 - CR 200 N - CR 800 E - Lakeview Campground Barr Lake

Wetter:
sonnig, warm; leichter Rückenwind aus Südsüdost

Distanz: 108 km   Zeit: 5,3 h   Geschwindigkeit: 20,4 km/h

Total:
Distanz:
1325 km   Zeit: 70,2 h   Ø Geschwindigkeit: 18,9 km/h   Ø pro Tag: 95 km
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Am Morgen telefoniere ich vom Motel aus mit Helen und mit Res von der Fahrradwerkstatt wegen des Kettenwechsels, den ich morgen in Rensselear in einem auf der ACA-Karte angegebenen Bike Shop machen möchte.

Die Fahrt am Morgen beginnt mühsam. In Garrett bauen sie eine Unterführung unter der Eisenbahnlinie; der Verkehr wird grossräumig umgeleitet. Bisher habe ich diese Umleitungen, die ja immer Umwege sind, einfach ignoriert, bin bis zur Baustelle gefahren und habe mein Fahrrad dann über die Baustelle gestossen; das ging bisher immer ohne Probleme. In Garrett dauert es aber lange, bis ich endlich jemanden finde, der mich zu Fuss über die Baustelle und die Bahngeleise gehen lässt. Danach bin ich schon spät dran, und mit jeder Stunde wird es heisser und hügeliger. Die flachen Strassen von Ohio sind nur noch schöne Erinnerung. Vor Silver Lake habe ich starke Knieschmerzen, und ich muss mich mit Ponstan dopen, um weiterfahren zu können.

In Silver Lake kaufe ich ein Picknick fürs Znacht auf dem Campground am Barr Lake. Das Einkaufen für den Zeltplatz ist immer eine relativ komplizierte Sache. Da ich möglichst wenig Esswaren herumschleppen will, möchte ich so nahe wie möglich am Zeltplatz einkaufen. Auf die im Woodall's und im AAA angegebenen Grocery Stores auf den Campground kann man sich aber nicht verlassen. Meistens telefoniere ich deshalb auf den Zeltplatz und frage nach den nächsten Einkaufsgelegenheit. Dazu muss ich aber immer ganz genau erklären, dass ich mit dem Fahrrad unterwegs bin und nicht mit dem Auto und dass die Distanz deshalb eine Rolle spielt; wenn ich das nicht ausdrücklich erkläre, hat es gemäss Auskunft des Zeltplatzes in der Nähe immer ein grosses Einkaufscenter, wobei in der Nähe dann im Umkreis von etwa 5 Meilen bedeutet.

Der Zeltplatz am Barr Lake ist sehr schön und sauber, aber leider praktisch leer. Leer heisst: die vielen Wohnwagen und Wohnmobile stehen unbewohnt herum. Die Feriensaison beginnt erst nach dem Memorial Day Weekend Ende Mai. Dafür hat die sehr nette Frau von Campground viel Zeit, um mit mir zu plaudern und mir alle erdenklichen Auskünfte zu geben. Solche Gespräche sind wichtig für die Moral. Schade ist nur, dass man auch auf diesem Zeltplatz nicht im See (oder auf anderen Plätzen im Fluss) baden kann; das Wasser dünkt mich zu schmutzig, zumal ich sehe, wie hier Landwirtschaft getrieben wird, wie viel gespritzt wird und wie stark die Erosion ist. Kaum hat es geregnet, schwellen die Strassengräben zu braunen Flüssen an, die in den nächsten Bach fliessen.

Indiana ist bisher deutlich grüner und weniger flach als Ohio: Es hat weniger Ackerbau und dafür mehr Weiden und Grünland sowie mehr Milchfarmen und Kühe, jedenfalls dort, wo ich durchfahre. Zudem hat es auffallend viele verunkrautete und brachliegende Felder, die zum Teil totgespritzt und ganz gelb sind.

Die Routenwahl ist bisher kein Problem; auf den Hwys 205 und 14 hat es relativ wenig Verkehr. Ich bin froh, denn die County Roads sind in Indiana manchmal geteert und manchmal nicht. Deshalb verzichte ich zum vorneherein darauf und beziehe sie nicht in meine kurzfristig-tägliche Routenplanung ein.

Jetzt bin ich schon zwei Wochen unterwegs und bin alles in allem positiv überrascht, wie gut und problemlos die Tour bisher verlaufen ist. Der grösste Unsicherheitsfaktor ist das Knie, obwohl es sich in den letzten Tagen stabilisiert hat. Am meisten erstaunt mich, dass 100 km Fahrradfahren pro Tag mit allem Drum und Dran ein Fulltime-Job ist. Ich bin von morgens bis abends mit meiner Tour beschäftigt: Wenn ich nicht gerade am Fahren bin, bin ich am Essen, Einkaufen, Waschen, Fahrrad putzen, Tagebuch schreiben oder am Telefonieren mit Franziska. Meine Lektüre schlummert ungelesen in den Fahrradtaschen.

Das hängt natürlich mit dem Stil dieser Fahrradtour zusammen. Ich bin ziemlich zielgerichtet unterwegs; wenn ich mich mehr treiben liesse, würde ich mit den Leuten vielleicht über den Small Talk hinaus in Kontakt kommen und dann mehr erleben, aber das ginge auf Kosten des Vorankommens.
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15. Tag: Freitag, 21. Mai

Strecke:
Lakeview Campground Barr Lake - CR 650 E - Athens - 14 - Rochester - Winamac - 14 - 421 - 231 - Rensselear

Wetter:
schön und warm, am Nachmittag bewölkt, abends heftige Gewitter; zum Teil starker Gegenwind aus Südwest

Distanz: 115 km   Zeit: 6,2 h   Geschwindigkeit: 18,5 km/h

Total:
Distanz:
1440 km   Zeit: 76,4 h   Ø Geschwindigkeit: 18,8 km/h   Ø pro Tag: 96 km
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Indiana wird auf meiner Strecke nach Rochester flacher und einsamer und weniger grün. Nach Winamac hat es sogar kaum mehr Bauernhöfe. Auch der Hwy 14 ist immer weniger befahren und wird immer schlechter. Zwischen den beiden Kreuzungen Hwy14/Hwy 421 und Hwy 14/Hwy231 ist Hwy 14 die pure Katastrophe; ich fahre Slalom zwischen Schlaglöchern und Schanzen, hüpfe von Querrinne zu Querrinne und fürchte um mein Fahrrad, das arg durchgeschüttelt wird. Als ich auf den Hwy 231 einbiege, habe ich noch 10 km gegen heftigsten Südwind zu kämpfen. Nur die drohende graue, immer näher rückende Gewitterwand gibt mir die Kraft zum Weiterkommen. In Rensselear muss ich noch bis zum Interstate-Exit fahren, wo ich das am billigsten aussehende Motel (Interstate Motel, 33 $) nehme. Kaum bin ich im Zimmer, geht ein Riesengewitter los; ich habe einmal mehr grosses Wetterglück.

Sonst war es heute ein müder Tag, an dem die Ankunft abends das beste war. Das Knie war nach Startschmerzen kein Problem mehr. Für den Kettenwechsel reicht die Zeit nicht mehr, das werde ich morgen machen.

Nach dem Gewitter stolpere ich wieder einmal an Tankstellen und Fast Food-Schuppen an einem Interstate-Exit herum und finde nichts Besseres als ein MacDonald's zum Nachtessen.
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16. Tag: Samstag, 22. Mai

Strecke:
Rensselear - 144 - Morocco - State Border IN/IL - Beaverville - Papineau - Aroma Park - Kankakee

Wetter:
bedeckt, dann Aufhellungen; heftiger Gegenwind aus Nordwest

Distanz: 70 km   Zeit: 3,9 h   Geschwindigkeit: 17,9 km/h

Total:
Distanz:
1510 km   Zeit: 80,3 h   Ø Geschwindigkeit: 18,8 km/h   Ø pro Tag: 94 km
Mehr Statistik und Zahlen

Am Morgen hat sich die Gewitterzone verzogen, und ich fahre zurück nach Rensselear zum Bikeshop Superior Sales&Service, den ich zum voraus angerufen habe. Roy Clites hilft beim Kettenwechsel wo nötig, das meiste mache ich selber. Er ist sehr hilfreich und lieb. Nach einigen Fachsimpeleien bestaunt er mein Fahrrad, vor allem den Sattel und die XT-Ausrüstung, die hier sehr selten sei. Bei ihm kommen pro Jahr nur etwa vier bis fünf Coast-to-Coast-Radler vorbei, obwohl sein Bike Shop auf der ACA-Karte verzeichnet ist. Danach spricht er von seinen Verwandten und Vorfahren aus Deutschland (the Krauts), sein Kollege Scott Donnelly von den seinen aus Irland (the Potatos).

Scott
Erfolgreicher Kettenwechsel in Rennselear: Scott Donnelly (links) und Roy Clites vom Bikeshop Superior.

Ich bin ganz glücklich, dass dieser Kettenwechsel so gut gegangen ist und fahre danach nach Illinois, das noch einsamer beginnt, als Indiana aufgehört hat.

Staatsgrenze
Staatsgrenze im Niemandsland an einer einsamen Kreuzung: Drei Tage Gegenwind warten auf mich.

Die Strecke ist topfeben, und der Wind bläst mir voll entgegen. Die gestrige Fahrt nach Rensselear war ein kleiner mühsamer Umweg nach Süden bei Südwind. Deshalb muss ich heute wieder etwas nach Norden fahren; da der Wind auf Nordwind gedreht hat, habe ich wieder Gegenwind. Aber ich bin vor allem froh, nach Huron OH in Rensselear zum zweiten Mal unter einer Gewitterfront trocken hindurchgeschlüpft zu sein.

In Illinois sind die Farmen noch seltener als in Indiana, die Felder sind noch grösser; es gibt nur noch Mais auf Schwarzerde, alles konventionell gesät.

In Kankakee gehe ich ins Days Inn (54 $), und da ich schon um 14.30 h ankomme, habe ich genügend Zeit, um alle Kleider zu waschen, das Fahrrad gut zu putzen sowie Schlafsack und Zelt zu lüften, was mich sehr zufrieden stimmt.

Zu meiner Überraschung sehe ich in Kankakee auf der Strasse praktisch nur Schwarze und Hispanics, nachdem ich bisher fast nur Weisse gesehen habe. Ich frage im Restaurant und im Motel vorsichtig (political correctness!) nach dem Grund, aber viel mehr als die Bestätigung meiner Beobachtung ("Kankakee is a black town") erfahre ich nicht. Die (weisse) Frau im Office im Motel versichert mir aber ungefragt, wegen der Sicherheit müsse ich keine Angst haben.

Für die Weiterfahrt durch Illinois bin ich soweit optimistisch, als meine Form und Moral gut sind; Sorgen machen mir nur die eher schlechten Wetterprognosen.
Bilanz Indiana
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17. Tag: Sonntag, 23. Mai

Strecke:
Kankakee - 17 - Dwight - Wenona

Wetter:
bedeckt, dann starker Regen; nachmittags trocken; extrem heftiger Gegenwind aus Nordwest

Distanz: 111 km   Zeit: 6,9 h   Geschwindigkeit: 16,1 km/h

Total:
Distanz:
1621 km   Zeit: 87,2 h   Ø Geschwindigkeit: 18,6 km/h   Ø pro Tag: 95 km
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Solche Tage nimmt man nur in Kauf, weil sie ein Teil einer grossen Idee sind. Dieser Sonntag beginnt zwar gut, die ersten 10 km lege ich mit 25 km/h zurück. Doch dann beginnt's zu regnen. Auf einem Parkplatz vor einer Kirche unter einem grossen Baum ziehe ich meine Regenkleider an (erst zum zweiten Mal); der Pfarrer auf dem Weg zur Kirche wechselt mit mir ein paar Worte, lächelt milde und sagt zum Abschied "Nice to have you in our country". Ich kann aber mit dem Country in diesem Moment nicht sehr viel anfangen: Der Regen wird immer stärker, der Westwind auch.

Nach 40 km Regenfahrt im Gegenwind erhole ich mich in Dwight in einer Tankstelle bei einem gespendeten Kaffee; ich bin tropfnass, aber vom Schweiss von innen her, nicht vom Regen. Im hässlichen Dairy Queen warte ich bei French Fries und Hamburger das Ende des Regens ab, lasse mich etwas trocknen und fahre dann bei meist trockenem Himmel Richtung Wenona weiter.

Als ich bei einer Kreuzung Pause mache und die Karten wechsle, hält ein Auto neben mir. "Are you lost?", fragt eine Frau. Solche Momente geben mir ein gutes Gefühl: Ich bin zwar alleine unterwegs, aber ich bin nicht verloren.

Der Gegenwind wird immer extremer, und für die letzten 10 km brauche ich über eine Stunde. Der Wind bringt mich manchmal zum Stillstand oder, wenn er ein bisschen seitlich kommt, wirft mich fast um. Fahrradfahren wird praktisch unmöglich. Schliesslich komme ich in Wenona an und nehme mir am Interstate-Exit erschöpft ein Super 8 (39 $). Nebenan im Restaurant lasse ich mir das All-you-can-eat-Buffet nicht entgehen und geniesse für 6.99 $ vier volle Teller plus Kuchen und Kaffee. All-you-can-eat ist ein schlechtes Geschäft für ein Restaurant, wenn ich Kunde bin.

In Wenona treffe ich beim Einkaufen ein Ehepaar an, das in einer Woche die ACA-Tour von Virginia nach Oregon starten will. Wir diskutieren lange und tauschen Erfahrungen und Tipps aus; solche Gespräche sind immer wieder ein Aufsteller.
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18. Tag: Montag, 24. Mai

Strecke:
Wenona - 17 - Lacon - Sparland - 29 - Chillicothe

Wetter:
sonnig und schön, aber kalt; extrem heftiger Gegenwind aus Nordwest

Distanz: 48 km   Zeit: 3,4 h   Geschwindigkeit: 14,1 km/h

Total:
Distanz:
1669 km   Zeit: 90,6 h   Ø Geschwindigkeit: 18,4 km/h   Ø pro Tag: 93 km
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Ich höre es am frühen Morgen schon der Fahne vor dem Motel an: Der Wind bläst noch genauso heftig wie gestern abend. In Lacon bin ich nach einer 32 km langen Fahrt (mit 10 km/h) durch stürmischem Gegenwind bin ich erledigt und durchfroren. Ich überquere den Illinois River auf einer sehr schmalen Brücke mit sehr niedrigem Geländer, und das bei diesen Windböen. Ich bin froh, heil auf der anderen Seite anzukommen.

westlich
Wenn nur der Gegenwind nicht wäre: topfeben und Mais, Mais, Mais Maisebenen, westlich von Wenona, Illinois, auf Hwy 17.

Die Stimmung an diesem Tag wäre eigentlich sehr schön, die Luft ist frisch, die Sicht ganz klar, und die weissen Wolken jagen tief unter dem tiefblauen Himmel durch, aber das hilft mir beim Fahrradfahren nicht viel. Die Weiterfahrt nach Galesburg (noch etwa 80 km) ist unter diesen Umständen undenkbar.

Ich schalte einen Erholungsnachmittag im Super 8 (43 $) in Chillicothe ein. Da ich wie schon in Ohio und Indiana auch in Illinois keine Ansichtskarten finde, schreibe einen langen Rundbrief. Er schliesst mit dem Satz: "So langsam stellt sich das Gefühl einer grossen Reise ein; in der ersten Woche, als ich mich im zweitkleinsten Gang mehrmals täglich an irgendeinem kleinen steilen doofen Stutz abmühte, dachte ich noch: Und das soll jetzt die Durchquerung eines Kontinents sein?"
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19. Tag: Dienstag, 25. Mai

Strecke:
Chillicothe - Truitt Road - 90 - Princeville - 90 - 78 - Laura - 78 - 150 - Knoxville - 150 - 1400 N - 200 E - 1300 N - 1400 E - Cameron - 1800 N - Monmouth

Wetter:
sonnig und schön, weniger kalt; heftiger Gegenwind aus Nordwest, zeitweise extrem

Distanz: 109 km   Zeit: 6,9 h   Geschwindigkeit: 15,8 km/h

Total:
Distanz:
1778 km   Zeit: 97,5 h   Ø Geschwindigkeit: 18,2 km/h   Ø pro Tag: 94 km
Mehr Statistik und Zahlen

Ich verlasse die Talebene des Illinois River, in die ich gestern bei Lacon hinuntergefahren bin, und steige etwa 100 m auf die Ackerbauebene hinauf: Mais, Mais und nichts als Mais. Am Anfang der Fahrt geben die Winde noch Anlass zur Hoffnung; dann werden sie aber immer heftiger und stärker. Ich kämpfe zeitweise mit 10 km/h dagegen an. Alles in alles sind sie aber ein bisschen schwächer als gestern und ich deshalb ein bisschen schneller, aber der Unterschied ist graduell-analog, nicht prinzipiell-digital.

Die Stimmung - innerlich nach dem gestrigen Erholungsnachmittag und dem Schreiben des Rundbriefs sowie äusserlich mit dieser klaren Luft - wäre an sich gut, die Leute sind nett, die Farmer winken von ihren Traktoren und die Truckfahrer von ihren Trucks, aber der Gegenwind ist brutal, und alles schreiende Fluchen hilft nichts.

In Monmouth nehme ich schon wieder ein Super 8 (48 $) und übersehe leider ein privates Motel, das billiger gewesen wäre. Im AAA-Tourbook sind diese kleinen privaten Motels meistens nicht aufgelistet, sondern nur die grossen Ketten mit dem Franchising-System. Bei diesen Ketten weiss man zwar, was man hat, weil alle immer gleich aussehen, aber sie sind meistens teurer als die lokalen privaten Motels, die dafür manchmal nicht ganz so geschleckt sind.

Immerhin hat das Super 8 einen Indoor-Pool, den ich mir natürlich nicht entgehen lasse. Das Abendessen - immer wieder Salad, Ranchdressing, Potatos, French Fries, Sirloin Steak, medium (ich könnte mir ein Schild um den Hals hängen mit diesen Angaben, dieses Menu gibt es überall) - nehme ich dafür in diesem privaten Motel. Wie immer gehe ich früh zu Bett und freue mich morgen auf den Mississppi.
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Fortsetzung 20. Tag (Vom Mississippi nach North Platte)


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© Robert Stark, San Francisco, USA, 1999