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Fahrradtour USA: Tagebuch


Von North Platte zum Yellowstone

28. Tag   29. Tag   30. Tag   31. Tag   32. Tag   33. Tag   34. Tag   35. Tag   36. Tag   37. Tag

28. Tag: Donnerstag, 3. Juni

Strecke:
North Platte - 30 - Paxton - Ogallala - 26 - Lewellen - Oshkosh

Wetter:
morgens kalt und bedeckt, später heiss und sonnig; guter Rückenwind aus Südost

Distanz: 152 km   Zeit: 6,5 h   Geschwindigkeit: 23,4 km/h

Total:
Distanz:
2883 km   Zeit: 150,1 h   Ø Geschwindigkeit: 19,2 km/h   Ø pro Tag: 103 km
Mehr Statistik und Zahlen

Erneut ein Wundertag mit perfekter Windunterstützung, so dass ich erneut schnell und weit vorankomme. Ganz am Anfang dieses Tages steht allerdings ein grosser Schreck, als mir nach wenigen Kilometern beim vorderen linken Gepäckträger die Halterungsschraube herausfällt. Bis ich die Schraube wieder gefunden habe und sicher bin, dass sie nur herausgefallen und nichts gebrochen ist, schwitze ich ziemlich stark. Danach fahre ich vorsichtig weiter und kontrolliere regelmässig die Schraube.

Abgesehen davon: Dieser Tag ist nicht nur Fahrradfahrerisch, sondern auch landschaftlich wunderschön. Nach Ogallala biege ich auf die 26 und fahre südlich des Lake McConaughy über einen Hügelzug nach Lewellen. Manchmal sieht man bis zum See hinunter. Obwohl auf über 1000 m Höhe, wird wieder flott geackert, aber die Prärie herrscht vor. Ich kann mich kaum sattsehen an dieser einsamen, hügeligen Landschaft mit dem wogenden, dürren Gras. Erstmals bin ich richtig begeistert von der Landschaft, durch die ich fahre, und finde alle paar Kilometer ein fotowürdiges Sujet.

Gestern habe ich mich wohl getäuscht mit meiner Einschätzung, dass innerhalb von 10 km der Wilde Westen begonnen hat. Es scheint vielmehr so zu sein, dass nördlich des North Platte River Valley diese steppenartigen Hügelzüge beginnen, und bei Gothenburg streift man diese Hügelzüge erstmals.

Da ich kurz vor Paxton wieder eine Stunde gewonnen habe (seltsam, wie mitten in einem Staat an einer County-Grenze die Zeitzone wechselt) und ich jetzt nur noch eine Stunde hinter der Pacific Time her ticke, habe ich genug Zeit, um den Ash Hollow State Park zu besuchen. Diese Trails der Siedler nach Westen, die verschiedenen Routen und Versuche, durch die Rocky Mountains zu kommen, sind ein faszinierendes Thema. Immer wieder bin ich erstaunt, dass diese Trails, die mit etwa 12 Meilen pro Tag voran kamen und mehrere Monate dauerten, nicht einmal 150 Jahre her sind. Und seither haben diese Siedler und ihre Nachfahren einen ganzen Kontinent buchstäblich in Besitz genommen, umgeackert und kaum einen Quadratmeter so belassen, wie sie ihn vorgefunden haben. Das ist eine unglaubliche Leistung; ob man sie bewundert oder verabscheut, ist eine andere Frage.

Heute haben mich also wiederum die Winde weit getragen; sie haben den viel grösseren Einfluss auf die Geschwindigkeit als die Höhenmeter, denn seit gestern habe ich an diesen beiden Supertagen etwa 700 Höhenmeter geschafft, ohne etwas davon zu merken.

In Oshkosh habe ich eine spezielle Begegnung mit Michael aus Denver, der mit einem Fahrrad und einem Anhänger mehr oder weniger ziellos umherradelt. Unglaublich, was er alles mitschleppt und wie die ganze Ware verstaut und montiert ist: Bücher, eine Geige, ein Windspiel, Kessel, Blachen, Zelt usw. Die "Frontttaschen" sind mit Schnüren befestigte grosse Farbkübel. Der Anhänger ist mit einem Karabinerhaken und einem Seil am Sattel angehängt. Als ich ihn antreffe, verbiegt es ihm in einem Strassengraben gerade das rechte Rad seines Anhängers; er bleibt ruhig und montiert in wenigen Minuten ein Ersatzrad, das er auch noch dabei hat. Er will an diesem Abend noch nach Lewellen; von dort bin ich eben mit etwa 40 km/h (dank Rückenwind) gekommen. Ich sehe ihn abfahren, er kommt kaum vom Fleck.

Ich übernachte im Shady Rest Motel (29 $), da wieder Gewitter angesagt sind.

Motel
Zum Beispiel im Shady Rest Motel in Oshkosh: das Velo immer dabei.


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29. Tag: Freitag, 4. Juni

Strecke:
Oshkosh - 26 - Broadwater - Northport - Bridgeport - 92 - Melbeta - Gering

Wetter:
am Morgen dichter Nebel, dann sonnig-schwül; leichter Rückenwind aus Südost

Distanz: 122 km   Zeit: 5,4 h   Geschwindigkeit: 22,6 km/h

Total:
Distanz:
3005 km   Zeit: 155,5 h   Ø Geschwindigkeit: 19,3 km/h   Ø pro Tag: 104 km
Mehr Statistik und Zahlen

Als ich am Morgen im Nebel abfahren will, steht Michael wieder auf der Strasse vorne. Er hat irgendwo wild gezeltet und ist ganz verstochen von den Mücken von letzter Nacht. Er habe gestern jemanden getroffen, der ihm erzählt habe, es gebe hier günstig ein Haus zu kaufen. Er glaube, er bleibe hier, es gefalle ihm hier, möglicherweise kaufe er dieses Haus, erzählt er, und philosophiert über Chaostheorie und Physik. Ich kann ihm nicht ganz folgen, aber offenbar kann man auch so mit dem Fahrrad durch die USA fahren.

Ich fahre, noch etwas müde von den beiden letzten Tagen (die Distanz hinterlässt ihre Spuren, auch wenn man sie schnell zurücklegt), durch den Nebel, der sich bald hebt, weiter das North Platte River Valley hinauf. Das Tal wird immer weiter und flacher, und wo es flach ist, wird wieder wacker geackert und Mais gepflanzt; Getreide sieht man nur ganz selten. Links und rechts des Tales erheben sich Hügel oder einzelne Felsen, manchmal erinnert es mich ans Monument Valley in Utah (das Franziska und ich im letzten Winter besucht haben).

Chimney
Chimney Rock: Landmark für die Siedler auf dem Oregon Trail (Hwy 92, südlich von Scottsbluff, Nebraska).

Höhepunkt des Tages ist der Chimney Rock, einer der markantesten Wegmarken für die nach Westen ziehenden Siedler. Man sieht, wie geologisch uralt diese Gegend ist, wenn man bedenkt, was alles erodiert werden musste, bis solch eine gut 100 m hohe Felsnadel übrig bleiben konnte.

Zweiter Höhepunkt des Tages ist die 3000 km-Marke kurz vor Gering, die psychisch die Hälfte meiner Tour darstellt. Leider ist kein Mensch zu Fuss unterwegs, so dass ich mit dem Selbstauslöser üben muss.

Einsamkeit
Einsame Fahrt durchs North Platte River Valley (Hwy 92, südlich von Scottsbluff).

Um Scottsbluff zu vermeiden, spekuliere ich darauf, dass ich in Gering an dieser touristisch interessanten Strasse ein Motel finde, was dann auch glücklicherweise der Fall ist. Die Circle S Lodge zu 37 $ ist zwar ziemlich heruntergekommen; dafür finde ich in Gering eine Public Library mit Internetanschluss und eine nette Beiz. Abends geht wieder einmal ein Riesengewitter los.
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30. Tag: Samstag, 5. Juni

Strecke:
Gering - 92 - Mitchell Pass (Scottsbluff National Monument) - Mitchell - 26 - State Border NE/WY - Torrington - Guernsey

Wetter:
bedeckt, kalt; heftiger Gegenwind aus Nordwest; nachmittags regnerisch; abends starker Regen

Distanz: 112 km   Zeit: 6,3 h   Geschwindigkeit: 17,8 km/h

Total:
Distanz:
3117 km   Zeit: 161,8 h   Ø Geschwindigkeit: 19,3 km/h   Ø pro Tag: 104 km
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Der Tag beginnt früh und sehr interessant beim Scottsbluff National Monument. Der Mitchell Pass war der frühere Siedlerweg, denn er ist die tiefste Stelle durch die Berge, durch die die Siedler gehen mussten, weil die Flussebene des North Platte River versumpft und unpassierbar war. Unvorstellbar, wie die Siedler mit ihren Planwagen durch diese zerklüfteten Steine vorangekommen sind.

Staatsgrenze
Nicht einmal geblufft: Wyoming ist tatsächlich einmalig schön (Hwy 26).

Nach der Einfahrt in Wyoming (Schild an der Staatsgrenze: "Like no other place on earth") fahre ich nach Torrington, wo ich eine Schweizerin und einen Österreicher treffe, die mit einem Leichtflugzeug den Kontinent von Florida nach Seattle durchqueren. Sie fliegen in etwa 300 m Höhe mit etwa 50 km/h. Sie brauchen zur Orientierung auch die AAA-Karten. Ich habe gar nicht gewusst, dass es so etwas gibt. Für die Überquerung der Rocky Mountains haben sie fast alles Gepäck nach Hause geschickt, weil das Flugzeug in der dünnen Luft sonst zu schwer gewesen wäre. Das Flugzeug ist offen, so dass sie extrem warm angezogen sein müssen. Sie schwärmen von den Flugpisten, die es in jedem kleinen Kaff gebe; davon könne man in der Schweiz nur träumen. Ausserdem erhalten sie an jedem Flughafen gratis ein Auto, das sie bis zum Weiterflug brauchen können.

Das Tourist Office in Torrington ist an diesem Samstag leider geschlossen; dort wollte ich mir wieder das Verzeichnis der Motels und Zelptplätze besorgen. Dafür hilft mir ein sehr netter Angestellter eines Hardware-Stores bei der Suche nach Motels in Guernsey.

Der Rest des Tages ist schnell erzählt: Kalte und immer stärker werdende Gegenwinde machen das Fahrradfahren mühsam und erschöpfend. Ab und zu tröpfelt es, aber dem grossen Regen, der gut sichtbar links und rechts und vor und hinter mir niedergeht, entkomme ich. Der Wind geht mir richtig auf die Nerven, ich bin ihn nicht mehr gewohnt nach den letzten Tagen. Durchkältet und kaputt gehe ich in Guernsey ins pseudo-rustikale Bunkhouse Motel (45 $) und wärme mich auf.

In Guernsey sieht man ab und zu kurz zwischen den Wolken in die Berge; da scheint mich ja etwas zu erwarten. Einerseits ist mir ein bisschen bange, ob ich die zu erwartenden Bergetappen bewältige, anderseits freue ich mich auf die landschaftliche Abwechslung auf der zweiten Tourhälfte. Abends ist es in Guernsey sehr kalt, aber ich bin schliesslich auch schon auf gut 1300 m Höhe hier.

Unterwegs habe ich zwei kurze Gespräche, die einmal mehr zeigen, wie jung diese amerikanische Gesellschaft ist. Ein älterer Mann in Mitchell versucht mir auf Deutsch zu erklären, wie seine Grosseltern aus Deutschland, deren Eltern ihrerseits aus Russland abstammten, nach Amerika gekommen sind. Eine Kellnerin in einem Restaurant in Guernsey erzählt mir, ihr Urgrossvater sei ein Ire und ihre Urgossmutter eine Native American, also Indianerin, gewesen. Von ihr erfahre ich auch, dass die Eisenbahn viel Kohle aus den Minen Wyomings durch Nebraska bis an die Ostküste (Northern Burlington) in die Stahlfabriken und Autoindustrie transportiere.

Abends esse ich zum weiss Gott wievielten Mal Salat mit Ranch Dressing, Steak, medium done, und French Fries. Nahrhaft, aber nichts Spezielles.
Bilanz Nebraska

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31. Tag: Sonntag, 6. Juni

Strecke:
Guernsey - 26 - Pepper Road - Exit 94 I 25 - Frontage Road along I 25 - Exit 100 - 319 - Glendo - Orin - Frontage Road along I 25 - Douglas

Wetter:
morgens Regen, gegen Mittag Aufhellungen; extrem heftiger Gegenwind aus Nordwest; nachmittags heiss und weniger Wind

Distanz: 100 km   Zeit: 6,0 h   Geschwindigkeit: 16,7 km/h

Total:
Distanz:
3217 km   Zeit: 167,8 h   Ø Geschwindigkeit: 19,2 km/h   Ø pro Tag: 104 km
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Dass dieser Tag noch ein Erfolg werden würde, daran dachte ich am Morgen nicht im Traum. Erstmals regnet es auf dieser Tour, als ich aufwache, und zwar in Strömen. Dazu windet es sehr heftig. Da hilft auch das wiederholte Konsultieren des Weather Channels nicht weiter. Bei diesem Wetter loszufahren, ist sinnlos; ich warte im Motelzimmer die Wetterentwicklung ab und telefoniere mit einem Motel in Douglas, wo es bereits wieder schönes Wetter sein soll. Das stimmt mich optimistisch.

Ich telefoniere lange mit Franziska, und während wir zusammen plaudern, hellt es plötzlich auf. Jetzt hält mich nichts mehr zurück, und ich starte um 11 Uhr im nachlassenden Regen. Nach 2 km muss ich mich bereits umziehen; die Sonne scheint, und es wird sofort warm.

Die Fahrt von Guernsey zum I 25 führt über einen recht hohen Hügel; das ist aber nicht das Problem, sondern der absolut extreme Seitenwind, der mich mehrmals beinahe umbläst. Nach 20 km Fahrt habe ich einen Durchschnitt von 12 km/h, und ich frage mich, ob ich heute überhaupt wenigstens bis Glendo komme.

Dank den Delorme-Karten kann ich es ohne grosse Umwege vermeiden, auf dem I 25 fahren zu müssen. Zuerst auf der ungeteerten Pepper Road, danach auf Parallelstrassen zum Interstate. Beim Exit 100 wird diese Parallelstrasse zum Hwy 319, der durchs hier völlig einsame North Platte River führt, ein landschaftlicher Genuss.

Wie schon in Illinois ist die Stimmung hinter einer Schlechtwetterfront wunderbar; die Luft ist frisch, die Sicht in die Ebene ganz klar, und die Schönwetterwolken treiben rasend schnell tief über mich hinweg. Getrübt wird meine Laune nur durch den heftigen Gegenwind. Die Gegend ist hüglig, viel Grasland mit Rinderherden, am Horizont tauchen die ersten Bergketten auf. Mit Ackerbau ist es jetzt endgültig zu Ende.

Ich komme um 15.30 h in Glendo bei 60 km an; nach Douglas sind noch 40 km. Da das Wetter gut aussieht (es ist sehr heiss, wenn die Sonne scheint) und ich mich fit fühle, reserviere ich mutig ein Motel in Douglas, ignoriere den Gegenwind (der auch ein bisschen nachlässt) und fahre los. Von weitem sieht man, wie sich Gewitterwolken bilden und gruppenweise, immer wieder unterbrochen von Sonne, gegen mich zutreiben. Plötzlich sehe ich mich einer solchen schwarzen Wolke gegenüber, es beginnt zu tröpfeln, aber das richtige Gewitter bricht sehr heftig nur wenige Kilometer hinter mir los. Wieder einmal Glück gehabt! Ich schaue immer wieder zurück beim Fahren, um mein Glück zu geniessen.

Ich komme erst nach 18 Uhr an und werde im Alpine Inn (37 $) am östlichen Rand von Douglas sehr herzlich empfangen; die Betriebsleiter sind Deutsche, die seit vielen Jahren in den USA leben. Erstmals auf Deutsch von meiner Tour zu erzählen, gefällt und tut mir sehr gut; die Muttersprache vermittelt ein nicht ersetzbares Gefühl von Zuhause. Als ich vom Gewitter bei Glendo berichte, sagen sie, sie könnten sich nicht erinnern, dass es jemals so viel geregnet habe wie diesen Frühling. Das Gras, das überall grün ist, sei sonst um diesen Jahreszeit längstens verdorrt und gelb-braun. Ihre Aussage bestätigt meinen Verdacht, da alle Flüsse und Seen, die ich gesehen habe, sehr viel Wasser haben.

Seit Wyoming sind - leider - zwei neue Tierarten zu den überfahrenen Tieren am Strassenrand hinzugekommen: Rattlesnakes (Klapperschlangen) und Eulen.

Abends bin ich sehr zufrieden mit diesem Tag; ich hätte nicht im Traum daran gedacht, abends in Douglas zu übernachten. Das war gut für die Moral und das Selbstvertrauen. Ich esse das Übliche in einem 24-Hours-Truckstop-Schuppen. Leider bin ich zu müde, um morgens um 2 Uhr rasch aufzustehen, um zu sehen, was in diesem Schuppen um diese Zeit los ist.
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32. Tag: Montag, 7. Juni

Strecke:
Douglas - 91 - 96 - I 25 (Exit 146 bis Exit 160) - Glenrock - 20/26 - Casper

Wetter:
sonnig, teilweise bewölkt; leichter Gegenwind aus Südwest

Distanz: 88 km   Zeit: 4,5 h   Geschwindigkeit: 19,6 km/h

Total:
Distanz:
3305 km   Zeit: 172,3 h   Ø Geschwindigkeit: 19,2 km/h   Ø pro Tag: 103 km
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Nach der Fahrt frühmorgens durch Douglas ist der Interstate ab Exit 146 nicht mehr zu vermeiden; es hat keine durchgehenden Frontage Roads (Strassen für den lokalen Verkehr, parallel zum Interstate, die für Fahrräder erlaubt sind) mehr. Das Fahrradfahren auf dem Interstate - natürlich auf der Shoulder - ist hier erlaubt, denn I 25 ist zugleich auf Hwy 20 und 26. Das geht besser als erwartet; ich habe die ganze, breite und gute Shoulder für mich, zudem ist wenig Verkehr. Einmal mehr bestätigt sich, dass die Trucks sehr rücksichtsvoll sind und auf die Überholspur ausweichen, wenn dort Platz ist; die meisten RVs hingegen fahren gerade aus weiter, wie wenn ich nicht existieren würde.

In Casper bin ich müde und werde auf Baustellen und grauenhaften Strassen arg durchgeschüttelt. Zuerst fahre ich zum Visitor Center, wo ich sehr gut und herzlich beraten werde und das nützliche Gesamtverzeichnis aller Übernachtungsmöglichkeiten im ganzen Staat (Motels, Camping, Bed and Breakfast) erhalte. Ich erkundige mich, ob es auf der Strasse nach Shoshoni oder auf jener nach Lander mehr Services hat, denn entgegen meinen ursprünglichen Plänen würde ich von der Topographie und der Streckenlänge her lieber über Shoshoni fahren. Im Visitor Center empfiehlt man mir die Strasse nach Shoshoni.

Im Motel 6 (32 $) am Stadtrand finde ich eine günstige Unterkunft mit Laundry. Ich wasche meine Garderobe und gehe danach in einen Bikeshop, um einen Rückspiegel und Wasserflaschen zu kaufen sowie um die Kette zu putzen. Der Rückspiegel drängt sich auf, denn die Dichte an RVs hat Richtung Yellowstone spürbar zugenommen; mit dem Rückspiegel sehe ich die RVs herannahen und bin ich dann besser auf enge Überholmanöver vorbereitet. Ausserdem ist es oft so, dass die Shoulder verschmutzt (zerfetzte Pneus, Flaschen, Kartonbecher, Scherben, Kies) oder sehr holperig ist, so dass ich bei geringem Verkehr lieber auf der Strasse fahre und nur kurz auf die Shoulder ausweiche, wenn ein Auto kommt. Vom häufigen Zurückschauen habe ich schon Muskelkater im Hals bekommen.

Bisher hatte ich eine Wasserkapazität von zwei Litern; das hat bisher problemlos gereicht, da es unterwegs genügend Gelegenheiten gab, um die Flaschen nachzufüllen. Ab Casper gibt es aber Strecken von bis zu 80 km ohne Services, und da reichen zwei Liter nicht mehr, so dass ich meine Kapazität auf 4 Liter verdopple.

Ich bin den ganzen Nachmittag schlecht gelaunt; mit dem Fahrrad fühle ich mich sehr unwohl in den Städten. Die Auswahl an Läden ist viel zu gross, die Wege zwischen Motel, Restaurant und Läden sind viel zu weit, so dass man viel Zeit verliert.

Nach intensivem Kartenstudium und Vergleichen entschliesse ich mich für den Weg nach Shoshoni. Das sind zwar fast 100 Meilen für den morgigen Tag, aber wenn's mir gar nicht laufen sollte, kann ich in Powder Rider Halt machen. Zudem ist Hwy 20/26 deutlich flacher als die Strasse über Alcova und Jeffrey City und insgesamt etwa 70 km kürzer. In meiner schlechten Laune und Wut über die Stadt entschliesse ich mich, es morgen bis nach Shoshoni zu schaffen, und gehe schon um 21 Uhr schlafen.
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33. Tag: Dienstag, 8. Juni

Strecke:
Casper - 20/26 - Powder Rider - Hiland - Shoshoni

Wetter:
sonnig; ab Powder Rider starker Gegenwind aus Südwest; abends heftige Gewitter

Distanz: 158 km   Zeit: 8,2 h   Geschwindigkeit: 19,3 km/h

Total:
Distanz:
3463 km   Zeit: 180,5 h   Ø Geschwindigkeit: 19,2 km/h   Ø pro Tag: 105 km
Mehr Statistik und Zahlen

Ich fahre um 6 Uhr los und erlebe einen Rekordtag in verschiedener Hinsicht: Distanz, Fahrzeit und Einsamkeit. Bis Powder Rider komme ich bei wenig Verkehr sehr gut voran; es ist erst 9.30 Uhr, und ich habe mit 23 km/h Durchschnitt schon 60 km zurückgelegt und fast 200 m Höhe gewonnen. Keine Frage, dass ich weiterfahren will.

Da die nächste und auf dem Weg nach Shoshoni einzige Servicestation Hiland ist, tanke ich in Powder River auf und reserviere in Shoshoni ein Motel. Die auf der Karte eingetragenen Orte Natrona, Waltmann und Moneta bestehen im besten Fall aus einer Kreuzung und zwei bis drei Häusern, von denen vielleicht die Hälfte bewohnt ist.

In Powder Rider spreche ich vor dem Grocery Store, der auch Tankstelle, Cafe und Barber Shop in einem ist, mit einem Ehepaar, die danach Probleme haben mit Wegfahren, da sie den Motor kaum starten können. Der Mann macht noch ein Witzchen, dass mir so etwas zum Glück nicht passieren könne.

Leider kommt aber mein Motor auch bald ins Stottern, denn nach Powder Rider und dem eindrücklichen Hell's Half Acre (ähnlich der Painted Desert in Arizona) beginnt plötzlich der Gegenwind aus Südwest zu blasen, immer stärker und heftiger. Jetzt, da ich mich entschieden habe, nach Shoshoni zu fahren, ist Durchhalten die Parole. Die fast 90 km bis Shoshoni lege ich noch mit einem Durchschnitt von 17,5 km/h zurück.

Kleines Highlight in Hiland, wo gemäss Ortsschild die Population 10 beträgt. Die Präzision überrascht und wirft die Frage auf, ob das noch stimmt. In der Gasstation und im Grocery Store von Hiland hat es sogar eine kleine Bar mit Restaurant, die von einer alten Frau bedient werden. Ich stärke mich mit einem warmen Hamburger und staune über die vielen Zeitungsausschnitte und Parolen, die an den Wänden kleben. Allgemeines Motto: Wenn das Volk vor der Regierung zittert, ist das Diktatur; wenn die Regierung vor dem Volk zittert, ist das Freiheit.

Hiland
10 Einwohner auf 5998 ft: Hiland, am Ende der Welt (Hwy 20/26 von Casper nach Shoshoni, Wyoming).

Dann geht's weiter Richtung Shoshoni, und wie mir die Frau von Hiland richtig gesagt hatte: "There's nothing in between." Das Land ist verbuschtes Grasland, am Horizont hat es niedrige Hügelzüge, manchmal ein paar Rinder, aber keine Farmen; eine menschenleere Gegend. Viel Land in dieser Gegend gehört dem Staat, der es an Öl- und Gasfördergesellschaften verpachtet. Wyoming ist generell ein rohstoffreicher Staat (Kohle, Öl, Gas, Uran usw.), wie ich bei einem Talk in einer Bar in Shoshoni erfahren sollte.

Der Wind wird immer stärker und stärker; beim Fotografieren oder bei einer Pause kann ich das Fahrrad nicht alleine stehen lassen, da es sonst umgeweht würde. Damit meine nachlassenden Kräfte reichen, teile ich die Strecke ganz genau ein, mache dann aber doch vor der nächsten vorgesehenen Pause eine oder zwei Meilen mehr, um mir zu beweisen, dass ich noch Reserven habe. Eigentlich geht es von Hiland nach Shoshoni 350 m hinunter, aber davon merke ich im Wind nichts. Auch die schöne Landschaft geht im Kampf gegen den Wind und im zunehmenden Verkehr leider etwas unter. Zudem höre ich kurz vor der Ankunft erstmals ein seltsames Klicken im rechten Pedal, was mir gar nicht gefällt.

Wyoming
Wyoming: einsam (Hwy 20/26 von Hiland nach Shoshoni).

Schliesslich gegen 18 Uhr komme ich nach der langen Fahrt und dem Kampf gegen den Wind erschöpft in Shoshoni an (Desert Inn Motel, 30 $), wo ich vom Zimmer aus einmal mehr ein heftiges Gewitter erlebe und froh bin, im Trockenen zu übernachten. Die sehr nette Motelchefin fragt mich nach meinem weiteren Weg. Mein Vorhaben, über Dubois und Moran Jct von Süden her über den Togwotee Pass (2900 m) in den Yellowstone zu fahren, findet sie eine schlechte Idee. Über Thermopolis, Cody und das Wapiti Valley zum East Entrance des Yellowstone zu fahren, sei einfacher, weniger anstrengend und erst noch schöner; die Strecke über Dubois führe fast immer durch Wald, und davon würde ich später in Oregon noch genug sehen.

Am Abend rechne ich lange, vergleiche Höhenprofile und Distanzen sowie Dichte der Services und komme zum Schluss, dass die Frau recht hat. Das bedeutet: morgen bis Meeteetse und übermorgen bis Wapiti; als Notzwischenhalte dienen Thermopolis und Cody.
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34. Tag: Mittwoch, 9. Juni

Strecke:
Shoshoni - 20 - Thermopolis - 120 - Meeteetse

Wetter:
schön, kühl; praktisch windstill

Distanz: 136 km   Zeit: 6,6 h   Geschwindigkeit: 20,6 km/h

Total:
Distanz:
3599 km   Zeit: 187,1 h   Ø Geschwindigkeit: 19,2 km/h   Ø pro Tag: 106 km
Mehr Statistik und Zahlen

Das ist der landschaftlich bisher schönste Tag: zuerst die Fahrt von Shoshoni zum Wind River Canyon mit dem ersten Blick auf die Schneeberge der Rocky Mountains, dann durch den Canyon nach Thermopolis und dann durch die "Voralpen" Wyomings nach Meeteetse. Am Morgen bin ich zwar müde, und die Fahrt den Canyon hinunter ist so mühsam, und ich bin so kraft- und saftlos, dass mich abwechslungsweise ernsthafte Zweifel über mich und mein Fahrrad befallen.

Ich komme dann aber gegen 10 Uhr im hässlich-touristischen Thermopolis an, natürlich viel zu früh, um ans Aufhören zu denken, Müdigkeit hin oder her. Ich lade mein Fahrrad wieder voll mit Esswaren und Wasser, denn auf den nächsten gut 80 km nach Meeteetse gibt's gar keinen Nachschub.

Ich bin selbst überrascht, wie gut ich nach Thermopolis plötzlich vorankomme. Die Fahrt ist wunderschön, den Blick immer auf die verschneiten Berge. Es geht angenehm durch die wie schon gestern baumlosen versteppten Graslandschaften und zwischen Felsen hindurch; die Steigungen sind nicht sehr steil. Weil es aber bergiger ist als gestern, ist es etwas abwechslungsreicher. Dafür ist es noch einsamer, und wenn mich gestern dünkte, ich fahre durch No-man's-Land, wie soll man denn der Landschaft heute sagen? Es hat nicht einmal mehr verlassene Häuser oder Kreuzungen zwischen Thermopolis und Meeteetse, auch sehr wenig Verkehr, kaum Trucks.

Wichtig ist mir in solcher Einsamkeit, die vor mir liegende Strecke genau einzuteilen und zum voraus in einem festen Rhythmus Ruhe- und Picknickhalte festzulegen. Das nimmt den 80 km Einsamkeit das Bedrohliche.

vor
Unterwegs nach Meeteetse durch die Einsamkeit Wyomings auf Hwy 120: Die Schneeberge rücken näher.

Etwa 15 km vor Meeteetse ist dann ein mittlerer Pass zu bewältigen, bevor es dann in einer langen Abfahrt nach Meeteetse hinunter geht. Dort habe ich ein Motel reserviert (Vision Quest Motel, 32 $), das von einer äusserst liebenswürdigen Frau sehr persönlich geführt wird. Als ich in die Ortschaft einfahre, sieht sie mich und ruft mir entgegen: "Cyclist from Switzerland, this is your place!"

Meeteetse, ein winziger Ort (bedeutet auf Indianisch: where chiefs meet), der ziemlich auf Wild West macht, gefällt mir sehr gut. Die Leute sind alle nett und gut gelaunt. Ich esse in einer lauten Bar an der Theke das Übliche.
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35. Tag: Donnerstag, 10. Juni

Strecke:
Meeteetse - 120 - Cody - 14/16/20 - Wapiti

Wetter:
schön, warm; guter Rückenwind aus Südost

Distanz: 88 km   Zeit: 3,8 h   Geschwindigkeit: 23,2 km/h

Total:
Distanz:
3687 km   Zeit: 190,9 h   Ø Geschwindigkeit: 19,3 km/h   Ø pro Tag: 105 km
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Meeteetse ist ein hübsches Nest, wo ich mich wohl fühle. Das gute Nachtessen gestern habe ich an der Cowboy Bar genommen, das Frühstück heute im sympathischen Broken Spoke Cafe (als Abwechslung zum Liter Milch mit Müesli). Dann geht die Fahrt los an diesem eiskalten Morgen durch die angenehm zu fahrenden Berge nach Cody; die Schneeberge rücken immer näher.

Cody ist gleich wie Thermopolis absolut hässlich. Während Thermopolis mit seinen Hot Springs auftrumpft, versucht sich Cody auf widerliche Art und Weise ein Stück vom Yellowstone-Touristenkuchen abzuschneiden. Das beste an Cody ist ein Tabakgeschäft, wo ein Päckli nicht einmal 2 $ kostet. Ich decke mich ein.

Bei der Einfahrt nach Cody sehe ich zwei Tourenbiker vor dem McDonald's und freue mich endlich wieder einmal auf einen Austausch unter Gleichgesinnten. Aber da bin ich an die Falschen geraten. Sie ist Engländerin, er Schotte, und sie sind von Flagstaff AZ nach Toronto in Kanada unterwegs. Ich scheine sie zu stören, denn sie geben nur widerwillig Antwort, sind störrisch und ablehnend. Als ich sie nach der Versorgungslage im Wapiti Valley (durch das sie eben gekommen sind) frage, sagen sie, es gebe dort gar nichts, was sich als total falsch erweisen sollte.

Schliesslich bin ich mir zu schade, griesgrämige Gesichter zum Sprechen zu bringen, wünsche gute Reise und ziehe Leine, total schlecht gelaunt. Im Visitor Center sind die Angestellten, von den Touristenhaufen abgenützt, viel weniger auskunftsfreudig und hilfsbereit als ich es gewohnt bin. Darauf ist meine Moral am Boden; solche kleine unerfreuliche Erlebnisse können mich vorübergehend ziemlich aus der Fassung bringen. Die Absturzgefahr ist relativ gross, wenn man so lange alleine unterwegs ist und jeden Tag bis an seine Leistungsgrenzen geht.

Da ich nach allen Erkundungen kein sicheres Bild von den Services im Wapiti gewinnen kann, mache ich mich auf alles gefasst und kaufe ziemlich Proviant ein. Doch dann entpuppt sich das Wapiti Valley als absolut problemlos punkto Nachschub. Nach dem Buffalo Bill State Park (der touristische Schutzheilige von Cody) und dem Tunnel reiht sich regelmässig Zeltplatz, Motel, Restaurant und Guest Ranches aneinander. Wapiti ist zwar kein eigentlicher Ort, aber man findet innerhalb von etwa fünf Meilen alles, was man braucht. Der in Cody als winzig beschriebene Grocery Store in Wapiti bei der Tankstelle entpuppt sich als klein, aber mit vollem Sortiment. Problemlos.

Noch früh, aber schon zu spät zum Weiterfahren, nehme ich mir im Wise Choise Motel (43 $) ein Zimmer und mache einen Nachmittagsschlaf. Zum Essen fahre ich zwei Meilen zurück zur ziemlich gediegenen Wapiti Lodge, wo ich erstmals ein Glas Wein bestelle. Es ist seltsam, wie ich es hasse, nach der Ankunft am Ort mit dem leeren Fahrrad in normalen Kleidern herumzufahren. Ich fühle mich sehr unwohl auf dem leichten Fahrrad, das mir ohne Gepäck keinen Widerstand entgegenbringt und nervös herumspringt. Deshalb versuche ich mich abends so einzurichten, dass ich alles zu Fuss erledigen kann.
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36. Tag: Freitag, 11. Juni

Strecke:
Wapiti - 14/16/20 - Yellowstone East Entrance - Sylvan Pass (2570 m) - Campground Lake Village

Wetter:
schön, kalt; morgens starker Gegenwind aus West, später nachlassend

Distanz: 94 km   Zeit: 5,9 h   Geschwindigkeit: 15,9 km/h

Total:
Distanz:
3781 km   Zeit: 196,8 h   Ø Geschwindigkeit: 19,2 km/h   Ø pro Tag: 105 km
Mehr Statistik und Zahlen

Bei brutal kaltem Gegenwind starte ich zur Einfahrt in den Yellowstone. Aber das schmälert meine Freude auf den heutigen Tag nicht. Doch kaum unterwegs, folgt eine absolut grässliche, 13 km lange Baustelle über Schotter, Staub und Steine; ich komme kaum vorwärts, dazu friere ich und werde von den Autos immer wieder von neuem in Staubwolken eingehüllt.

East
Eingang zum Naturspektakel: Yellowstone National Park East Entrance auf 2090 m.

Knapp 50 km nach Wapiti kommt man in den Yellowstone auf 2090 m zum East Entrance. Die knapp 200 m Höhendifferenz seit Cody legt man sehr angenehm zurück; die Steigungen sind so gnädig, dass der Wind - einmal mehr - das Tempo macht.

Bären
Ein richtiger Bär mit einem Jungen: zum Glück für eine Foto genug weit weg (Yellowstone, Passstrasse zum Sylvan Pass).

Nun beginnt der eigentliche Pass. Auf 12 km sind fast 500 Höhenmeter zu erklimmen zum 2570 hohen Sylvan Pass, dem höchsten Punkt meiner Reise. Beim Aufstieg stosse ich plötzlich auf eine grosse Menschenmenge; es ist kein Unfall, sondern ein richtiger Bär mit zwei Jungen oben am Hang, der den Auflauf verursacht. Alle Leute beobachten und fotografieren und gehen möglichst nahe heran; als ein Ranger kommt und sagt, man solle nicht zu weit weg vom Auto, steige ich schleunigst auf mein Fahrrad. Neu ist auch der besonders intensive Harzduft im Wald.

Unterwegs wird man von schwer schnaufenden RVs überholt, einigen würgt das langsame Fahren hinter einem Fahrrad fast den Motor ab. Die letzten zwei Kilometer fahre ich Schneemauern entlang. Leider steht auf der Passhöhe kein Schild, so dass das beweisende Gipfelphoto entfällt.

Sylvan
Kurz nach dem Sylvan Pass: mit 2570 m höchster Punkt (und einer der Höhepunkte) der Tour.

Die Abfahrt ist an den Yellowstone Lake ist viel weniger steil als der Aufstieg. Immer wieder öffnet sich der Blick auf den riesigen See, der im Osten vom Mt. Sheridan dominiert wird. Bei der Fahrt dem See entlang sehe ich Bisons (Buffalos) weiden. Die Leute gehen trotz Warnungen viel zu nahe an die Tiere heran. Vereinzelt raucht und dampft und stinkt (Schwefel) es aus Löchern entlang dem See, unglaublich.

Dann organisiere ich mir die nächste Nacht im Old Faithful Inn und schlage für diese Nacht beim Lake Village wieder einmal mein Zelt auf. Die Gefahr, die von den Bären ausgeht, wird sehr ernst genommen. Alle Esswaren, Toilettenartikel und sogar Wasserflaschen müssen in die Food Boxes versorgt werden; letzte Nacht sei ein Bär auf dem Zeltplatz gewesen, sagt ein Ranger.

Über Preise und Qualität meines Picknicks schweige ich mich höflicherweise aus. Frierend schreibe ich bis 21 Uhr Karten und gehe dann mit dem guten Gefühl schlafen, dass 100 km Distanz auch mit einem namhaften Pass zu schaffen sind; ich bin gespannt, wie kältetauglich mein Schlafsack ist.
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37. Tag: Samstag, 12. Juni

Strecke:
Campground Lake Village - West Thumb - Continental Divide - Old Faithful

Wetter:
schön, wenig Wind

Distanz: 56 km   Zeit: 2,7 h   Geschwindigkeit: 20,7 km/h

Total:
Distanz:
3837 km   Zeit: 199,5 h   Ø Geschwindigkeit: 19,2 km/h   Ø pro Tag: 104 km
Mehr Statistik und Zahlen

Als ich aufwache, ist das Zelt ganz eingefroren und mit Reif bedeckt. Geschlafen habe ich aber sehr gut. Ich esse mein Müesli, packe meine Sachen und fahre ab, bevor ich selber einfriere.

Yellowstone
Kalt und ruhig: der Yellowstone Lake am Morgen früh.

Ich fahre dem Yellowstone Lake entlang zum Geysir Basin beim West Thumb direkt am See. Es blodert und raucht und stinkt und dampft; so etwas habe ich noch nie gesehen. Dann fahre ich über die erste Continental Divide (2520 m) und befinde mich für kurze Zeit auf der pazifischen Seite. Dann folgt ein Abfahrt auf etwa 2350 m und erneut ein Aufstieg auf die nächste Continental Divide (Craig Pass, 2480 m), so dass ich wasserflussmässig wieder atlantisch bin. Hier begegne ich einem Deutschen, der vom Old Faithful herkommt und zu Fuss den Yellowstone durchquert; sein Ziel ist St.Louis.

Geysir
Nach Schwefel stinkendes Gebrodel: West Thumb Geysir Basin im Yellowstone National Park.

Die Continental Divide bedeutet für mich sehr viel (obwohl alle Autos daran vorbeifahren). Es ist ein weiterer wichtiger Schritt der Annäherung an den Pazifik: Von jetzt an fliesst alles Wasser, auch meines, in den Pazifik. Auch das ist eine Art Hälfte der Tour.

Continental
Von jetzt an fliesst der Schweiss nach Westen: Wasserscheide im Yellowstone National Park.

Beim Old Faithful habe ich das billigste Zimmer reserviert (55 $). Hier bin ich erstmals auf meiner Tour richtig Tourist; ich habe mir den heutigen Nachmittag freigenommen, um diesen National Park anzusehen. Ich komme gerade rechtzeitig an, um einen Ausbruch dieses grössten Geysirs zu sehen. Eine riesige Zuschauermenge sitzt auf Bänken wie in einer Arena um den Geysir herum und wartet mit gezückter Kamera auf den Ausbruch. Bevor er richtig losgeht, gibt's einige kleinere Spritzer, und bei jedem Spritzer gehen die Kameras los, gefolgt von Ausdrücken der Enttäuschung. Das wiederholt sich mehrmals, bis sich der alte Geysir richtig emporschwingt und der Arena lautstarke Entzückung entlockt - ein Schauspiel im Schauspiel.

Old
Obligates Foto: der weltberühmte Old Faithful.

Dann nehme ich an einer Führung durch das Hotel teil; in der unglaublich imposanten und hohen Eingangshalle kommt man wirklich nicht mehr zum Staunen heraus. Dann spaziere ich lange durch das Upper Geysir Basin und bewundere all die verschiedenen Formen und Farben und Gerüche. Was ich sehe, ist etwas absolut Einmaliges, und es lohnt sich, sich dafür Zeit zu nehmen. Die Landschaft erlebt und sieht man vom Fahrrad aus intensiv genug, auch ohne immer abzusteigen; diese Geysire verdienen, dass man zu Fuss geht.

Morning
Vielleicht der schönste: Morning Glory Pool im Upper Geysin Basin.

Heute ist mir ein Ehepaar aus North Dakota, die ein paar Tage im Yellowstone verbringen, dreimal begegnet. Beim ersten Mal, beim Geysir Basin beim West Thumb, kommen sie von sich aus auf mich zu und sagen mir, sie hätten mich gestern beim Aufstieg zum Sylvan Pass gesehen und sie möchten mir nun gratulieren zu dieser Leistung und ihre Bewunderung ausdrücken. Dann sehe ich sie noch zweimal während des Spaziergangs im Upper Geysir Basin, und wir sprechen und plaudern jedes Mal ein bisschen länger.

Abends geniesse ich auf der Terrasse beim Old Faithful Inn die Aussicht auf die rauchenden Geysire, schreibe an einem der schönen Originalpültchen im zweiten Stock der Eingangshalle zum Geklimper eines Barpianisten Karten, Brief und Tagebuch und esse dann ein mittelmässig feines Znacht. Solche Momente in so einer feierlichen Umgebung sind alleine manchmal mühsam zu ertragen; ich kann es viel weniger geniessen, als wenn ich mit Franziska dieses Hotel gemeinsam erleben könnte.
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Fortsetzung 38. Tag (Vom Yellowstone zum Pazifik)


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© Robert Stark, San Francisco, USA, 1999