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Fahrradtour USA: Tagebuch
Vom Mississippi nach North Platte
20. Tag  
21. Tag  
22. Tag  
23. Tag  
24. Tag  
25. Tag  
26. Tag  
27. Tag
20. Tag: Mittwoch, 26. Mai
Strecke:
Monmouth - 164 - 135 - Kirkwood - 1600 N - Biggsville - 34 - State Border IL/IA (Mississippi) - Burlington - Agency Road - 406 - 34 - Middletown - 79 - 280th Ave (Bridgeport Ave) - 16 - X23 - West Point - 103 - J40 - Bonaparte - Bentonsport - Lacey-Keosaqua State Park Campground
Wetter: bedeckt, später sonnig; leichter Rückenwind
Distanz: 145 km  
Zeit: 6,6 h  
Geschwindigkeit: 22,0 km/h
Total:
Distanz: 1923 km  
Zeit: 104,1 h  
Ø Geschwindigkeit: 18,5 km/h  
Ø pro Tag: 96 km
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Dieser Tag war die wunderbare Antwort auf all die Zweifel der letzten Gegenwindtage: Sind meine Kräfte am Ende? Ist meine Motivation dahin? Ist etwas am Fahrrad nicht in Ordnung? Nein, es war wirklich nur der Wind, denn heute komme ich dank Windstille bis leichtem Rückenwind zügig voran wie noch nie und geniesse das Fahren.
Ein erster Höhepunkt des Tages ist die Überquerung des Mississippi über die schöne Hängebrücke bei Burlington. Dieser berühmte Fluss lässt hier aber erst wenig von seiner späteren Mächtigkeit erahnen.
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Grosser Moment: Überquerung des Mississippi von Illinois nach Burlington, Iowa.
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Nun bin ich also schon in Iowa, das im Vergleich zu Ohio, Indiana und Illinois eine viel bessere touristische Infrastruktur aufweist. Im Visitor Welcome Center in Burlington werde ich von drei Angestellten mit allen Kräften bei der Suche nach Campingplätzen, Motel und guten Strassen unterstützt - voll Begeisterung für meine Fahrradtour, aber leider nicht sehr kompetent, denn sie empfehlen mir vierspurige Highways. Das macht aber nichts, denn ich habe das schöne Gefühl, in Iowa willkommen zu sein; ausserdem rüsten sie mich sehr gut aus mit Katalogen und Verzeichnissen über alle Unterkunftsmöglichkeiten in ganz Iowa. Ich lasse mich vor dem Mississippi fotografieren, teile meine Freude Franziska mit und fahre dann weiter.
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Iowa: You make me smile. Geschwitzt habe ich auch.
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Zuerst bietet Iowa das übliche Bild: flach und Mais. Ab West Point wird's aber zunehmend hügeliger und grüner, und rund um den Des Moines River sind schon ordentliche Steigungen zu bewältigen. Als ich an einer Tankstelle in einem der vielen Gespräche pro Tag meiner Verwunderung über diese Hügel Ausdruck gebe, lächelt die Frau verschmitzt und sagt, alle Touristen, die von Osten kämen, würden meinen, es gehe in Iowa im selben flachen Stil weiter, aber der Süden Iowa sei sehr hügelig.
Wie diese Frau sind die Leute in Iowa sehr nett und hilfreich. Mir gefällt's hier überraschenderweise, denn beim Planen zuhause konnte ich mich mit Iowa nicht anfreunden. Drei Frauen an einer Tankstelle in West Point können es kaum fassen, dass ich auf meiner langen Reise ausgerechnet hier bei ihnen Halt mache.
Obwohl ich heute sehr weit fahre, bin ich in Keosaqua immer noch ziemlich fit und munter fürs Einkaufen und Zelten im sehr schönen State Park. Wie alle bisherigen Campgrounds ist auch dieser State Park Campground tiptop eingerichtet; die sanitären Einrichtungen sind immer sehr sauber und funktionieren. Seltsam ist nur das Verhalten der Leute, die mit ihren RVs hier sind. Die älteren machen Spaziergänge auf den Wegen zwischen den RVs, die jüngeren machen Walking und drehen ein paar Mal die immer gleiche Runde durch die RVs; dabei hat es gleich neben dem Campground schöne Trails durch den Wald.
Bilanz Illinois
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21. Tag: Donnerstag, 27. Mai
Strecke:
Lacey-Keosaqua State Park Campground - J40 - Lebanon - Bloomfield - 2 - Centerville
Wetter: warm, sonnig; im Durchschnitt mässiger Gegenwind aus Südwest
Distanz: 81 km  
Zeit: 4,5 h  
Geschwindigkeit: 18,0 km/h
Total:
Distanz: 2004 km  
Zeit: 108,6 h  
Ø Geschwindigkeit: 18,5 km/h  
Ø pro Tag: 95 km
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Ich erwache am Morgen relativ antriebslos und müde. Das hügelige Auf und Ab durchs grüne Iowa, der Gegenwind und die Müdigkeit nach der langen Fahrt gestern lassen mich heute nur müde und langsam vorankommen. Ich fahre nicht mehr durch Maisäcker, sondern vor allem an weidenden Mutterkuhherden im bauchhohen Gras vorbei.
In Lebanon, einem winzigen Nest, entdecke ich ein sympathisches Restaurant; ich unterhalte mich lange mit dem Besitzer. Wie alle anderen auch in Iowa fragt er mich zuerst, ob ich für den berühmten Fahrradanlass "Quer durch Iowa" trainiere. Vom Highway 2 rät er mir als Radfahrer wegen des angeblich enormen Verkehrs heftig ab, doch Hwy 2 hat ein prima Shoulder und wenig Verkehr und ist die kürzeste und auch eine schöne Strecke durch Iowa. Dann erzählt mir der Wirt von den Amischen, die hier sehr verbreitet seien (in diesem Moment fährt gerade eines dieser typischen, von einem Pferd gezogenen einachsigen Wägelchen der Amischen vorbei) und von denen ich auf meiner Weiterfahrt noch viele sehen würde. Ich sehe aber weder Amische noch ihre Wägelchen; das einzige Zeichen, das auf Amische schliessen lässt, sind ein paar Häuser, die nicht ans Stromnetz angeschlossen sind. So gibt's leider keine Fotos von Amischen.
In Centerville kurz nach km 2000 bin ich müde und mag nicht mehr. Im Ort ist einiges los: grosse Chilbi und Fischertreffen. Das Memorial Day Weekend steht bevor; alle Boote, RVs, Mobilhomes und Motorräder werden in Bewegung gesetzt. Alle Restaurants und Motels umwerben die Fishermen. Im Don Elen Motel (34 $) ist die Laundry zum Fish Cleaning Room umfunktioniert worden; ich mache lieber Handwäsche.
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22. Tag: Freitag, 28. Mai
Strecke:
Centerville - 2 - Corydon - Leon - Mount Ayr
Wetter: warm bis heiss; mässiger Gegenwind aus Südwest
Distanz: 118 km  
Zeit: 6,6 h  
Geschwindigkeit: 17,9 km/h
Total:
Distanz: 2122 km  
Zeit: 115,2 h  
Ø Geschwindigkeit: 18,4 km/h  
Ø pro Tag: 96 km
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Am Morgen gehe ich zuerst ins Chamber of Commerce von Centerville und bitte die Angestellte um Hilfe bei der Suche nach einer Unterkunft in Mount Ayr. Dort wäre von der Distanz her das ideale Etappenziel, aber ich habe im meinem selbst gemachten Unterkunftsführer keine Angaben zu Mount Ayr. Tatsächlich findet die Angestellte ein Motel, das ich gleich reserviere. Ich habe fast damit gerechnet, denn es gibt hier auf meiner Strecke durch Iowa bisher fast in jedem Ort ein oder zwei kleine private günstige Motels, die im AAA-Tourbook nicht aufgelistet sind.
Iowa wird immer grüner und hügeliger, je mehr ich mach Westen komme. Es ist zwar noch nicht so hügelig wie Pennsylvania, aber die Zeit der flachen, langen, geraden Strecken ist vorderhand vorbei. Es geht munter rauf und runter, in der zunehmenden Hitze ist das ziemlich anstrengend.
Höhepunkt des Tages zwischen Centerville und Corydon: Ich treffe zwei Biker, die von San Francisco nach New York City unterwegs sind. Beiderseits herrscht grosse Freude und Begeisterung, endlich und zum ersten Mal jemanden anzutreffen, der auf einer Coast-to-Coast-Tour unterwegs ist. Wir fotografieren uns gegenseitig, tauschen Email-Adressen aus, begutachten die Fahrräder, fachsimpeln und diskutieren Reiserouten. Sie sind eine direkte Route von San Francisco direkt Richtung Osten durch Nevada nach Colorado und Nebraska gefahren und sind ein bisschen neidisch auf meine schöne Route durch den Yellowstone und durch Oregon. Sie legen pro Tag 90 bis 95 Meilen (ca. 150 km) zurück; das ist viel, auch wenn sie auf ihrer Fahrt von West nach Ost mehrheitlich Rückenwind haben und zu zweit unterwegs sind.
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Bikertreff in Iowa zwischen Centerville und Corydon auf Hwy 2: Corey Modeste (links) und Ben Johnson, unterwegs von San Francisco nach New York.
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Etwas seltsam ist ihre Gepäcktechnik: Sie haben vorne keine Lowrider, dafür ein riesiges Gepäckchaos hinten. Auch ihre Fahrrads sind für meine Begriffe seltsam (es sollte aber relativ typisch sein für alle US-Tourenbiker): ein fetter Alurahmen mit Rennlenker und dazu ganz schmale 28''-Felgen und Pneus. Als sie mehrere Platten pro Tag gehabt hätten, sei es ihnen verleidet, erzählen sie, und sie hätten sich etwas dickere Reifen gekauft. Meine Reifen bezeichnen sie als Tank (Panzer).
Die Begegnung ist irgendwie surreal. Auf einem einsamen Highway in Iowa treffen sich irgendwo drei Tourenbiker mit ihren überdimensionierten Töpfen von Helmen auf dem Kopf und diskutieren angeregt eine halbe Stunde und schütteln sich zum Abschied mit den vor Schweiss triefenden Fahrradhandschuhen die Hände.
Nach einer Fahrt durch die Nachmittagshitze komme ich in Mount Ayr an und erhole mich im reservierten Clinton Motel für 26 $. Es ist derart proviniziell, dass ich nicht einmal mit Kredikarte bezahlen kann.
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23. Tag: Samstag, 29. Mai
Strecke:
Mount Ayr - 2 - Bedford - Clarinda - Shenandoah
Wetter: schön, warm; Seitenwind aus Süd
Distanz: 107 km  
Zeit: 5,2 h  
Geschwindigkeit: 20,6 km/h
Total:
Distanz: 2229 km  
Zeit: 120,4 h  
Ø Geschwindigkeit: 18,5 km/h  
Ø pro Tag: 97 km
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Ich fahre schon um 7 Uhr los, um der Nachmittagshitze und den im Laufe des Tages stärker werdenden Winden zu entgehen. Ausserdem beginnt heute Samstag das Memorial Day Weekend, so dass Grossverkehr zu erwarten ist. Obowhl ich gestern bei der Ankunft sehr müde war, komme ich heute sehr gut voran. Es ist flacher als gestern, den kleinsten Kettenkranz brauche ich den ganzen Tag lang nicht.
Die Landschaft in Iowa bleibt hügelig und grün; es hat viel mehr Hecken und Bäume als in Illinois und Indiana, wo die Landschaft fast ganz ausgeräumt war. Auf der heutigen Fahrt wird die Landschaft offener und weiter und nimmt manchmal schon fast ein bisschen den Charakter von Steppe an.
Da ich schon um 13.30 h in Shenandoah ankomme, will ich mir ein bisschen Zeit nehmen, um den Ort anzuschauen und Karten zu schreiben, aber ausgerechnet an diesem Ort ist es sehr ungemütlich. Im Gegensatz zu Orten wie Centerville, Clarinda (Geburtsstadt von Glenn Miller) oder Mount Ayr, die nette Städtchen mit einem grossen Platz, Square und Court House waren, um das sich die Geschäfte und Restaurant gruppierten, ist Shenandoah ziemlich grässlich. So schreibe ich die Karten im Motel-Zimmer (59er Motel, 32 $) bei offener Tür und mitgebrachtem Tankstellen-Kaffee und Cookies. Zum Nachtessen finde ich kaum ein anständiges Restaurant.
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24. Tag: Sonntag, 30. Mai
Strecke:
Shenandoah - 2 - Sidney - State Border IA/NE (Missouri) - Nebraska City - Syracuse - Palmyra - Lincoln
Wetter: schön, dann bedeckt; starke Gewitter in Unadilla und in Lincoln; kaum Wind
Distanz: 129 km  
Zeit: 6,3 h  
Geschwindigkeit: 20,5 km/h
Total:
Distanz: 2358 km  
Zeit: 126,7 h  
Ø Geschwindigkeit: 18,6 km/h  
Ø pro Tag: 98 km
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Als ich früh morgens losfahre, ahne ich noch nicht, wie lange dieser Tag werden sollte und wieviele Aktivitäten und Entscheidungen er mit sich bringen würde.
Iowa wird bis zur Grenze immer weiter und offener und einsamer.
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Good life: Auf einer Velotour hat man Zeit für philosophische Mehrdeutigkeiten.
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Der Übergang nach Nebraska, auf den ich mich gefreut habe, ist gar nicht schön - ganz im Gegensatz zur State Line zwischen Illinois und Iowa. Nach der Abfahrt in die Flussebene des Missouri kommt man auf eine ansteigende vierspurige Autobahnbetonbrücke und fährt über den Missouri, den man fast nicht sieht und der ausser dem Namen auch noch nichts Besonderes ist.
Nebraska City gibt sich very historic, ist aber ziemlich hässlich und ausgestorben. Das Tourist Information Center ist leider geschlossen, so dass ich auf gut Glück weiterfahre mit Ziel Palmyra, wo gemäss Delorme ein Zeltplatz sein sollte. Die Übernachtung heute könnte heikel werden wegen des Memorial Day Weekends.
Der Hwy 2 war als Strasse durch fast ganz Iowa gut zum Fahrradfahren. Nach Nebraska City gibt es den alten und den neuen Hwy 2. Der neue ist absolut unangenehm, vierspurig und verkehrsreich. Dank den Delorme-Karten gelingt es mir, auf den alten Hwy 2 zu gelangen, den fast niemand mehr benutzt. Kurz vor Syracuse biegt der alte Hwy 2 in den neuen Hwy 2 ein, an dem noch eifrig gebaut wird. Für den Rest des Tages bin ich mit Autos, Trucks, RV und Motorrädern und Engpässen an Baustellen reichlich und manchmal reichlich gefährlich bedient, aber es gibt keine Alternative.
In Syracuse erkundige ich mich nach dem Campground in Palmyra. Obwohl er nur etwa 20 km weiter westlich liegt, kann mir niemand genau Auskunft geben. Und das Telefonbuch umfasst nur das Gebiet rund um Syracuse; Palmyra ist darin schon nicht mehr enthalten. Der Tankstellenleiter vermutet, der Campground sei wegen der Verbreiterung des Hwy 2 aufgehoben, aber ich könne sicher sonst irgendwo mein Zelt aufschlagen. Irgendwie bin ich heute zuversichtlich gestimmt, glaube an einen Zeltplatz in Palmyra und telefoniere in aller Gemütlichkeit mit Alfred, Nadja und Elisabeth.
Als ich dann wegfahre, entdecke ich ein Motel in Syracuse. Ich erkundige mich für Vacancies, was kein Problem wäre, aber um 15 Uhr dünkt es mich noch zu früh, schon aufzuhören. Ich erkläre mein Dilemma der Frau. Sie ist sehr hilfreich und sagt, das nächste Motel sei erst in Lincoln und damit knapp 50 km entfernt. Ich erkläre ihr, dass ich aber gar nicht vorhabe, nach Lincoln zu fahren, da ich geplant habe, auf dem Hwy 6 bis Kearney zu fahren. Darauf rät sie mir deutlich vom Hwy 6 ab, weil es entlang Hwy 6 seit dem Bau des I 80 fast keine Services mehr gebe; viel besser sei Hwy 34 nördlich des I 80 von Lincoln nach Kearney.
Ich telefoniere darauf mit Franziska, die mir via Internet alle gut gelegenen Motels in Lincoln heraussucht. Einen solchen Service aus dem Back-Office geniesst natürlich nicht mancher US-Tourenbiker, wahrscheinlich sogar gar keiner ausser mir.
Ich telefoniere danach nach Lincoln, und tatsächlich gibt's in Lincoln haufenweise freie Zimmer, sogar am Sonntag des Memorial Day Weekends. Dass es entlang Hwy 34 viele Motels und Zeltplätze gibt, weiss ich von meinen Vorbereitungen. Ich entschliess mich also, nach Lincoln und über Hwy 34 nach Grand Island zu fahren und von dort in die vorgesehene Route Hwy 30 einzubiegen.
Ich fahre voll Energie und Zuversicht ab und sehe mich plötzlich einer schwarzen Wand gegenüber. In Unadilla kann ich mich knapp unter das Dach einer Tankstelle retten, und dann geht für eine gute Stunde ein Riesengewitter los. An Radfahren ist überhaupt gar nicht mehr zu denken. Als das Gewitter ein bisschen nachlässt, telefoniere ich wieder nach Lincoln, wo nach Auskunft eines Motels bereits wieder die Sonne scheint. Also fahre ich im leichten Regen Richtung Lincoln los und kann schon bald das Regenzeug versorgen.
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Memorial Sunday: kurz vor dem Gewitter bei Unadilla.
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Die Strasse auf Hwy 2 bleibt sehr eng, schmutzig von der Baustelle und jetzt noch nass und schmierig vom Gewitter. Was mich erstaunt, sind die vielen Trucks an einem Sonntag (wobei die Trucks meistens noch sehr anständig überholen). Zu allem Überfluss habe ich in Palmyra (wo der Campground wegen der Bauarbeiten tatsächlich nicht mehr existiert) plötzlich noch einen Hungerast und esse auf einem Friedhof meinen sämtlichen Proviant.
Schliesslich komme ich erst nach 18 Uhr total erschöpft und ausgelaugt in Lincoln an, einer hässlichen Stadt mit einer etwa 10 km langen autobahnähnlichen mehrspurigen Einfahrtsstrasse. Ich finde im Days Inn ein zahlbares Zimmer (48 $, viele Motels an einem Ort bewirken relativ tiefe Preise bei den grossen Ketten), muss alles trocknen und putzen, vor allem das Fahrrad, und entdecke zu später Stunde, dass es im Pizza Hut gute Pasta (endlich!) gibt. Während des Nachtessens geht wieder ein Riesengewitter los. Im Motel lerne ich eine Frau aus Lincoln kennen, die im Motel übernachten muss, weil ihr Haus von den Gewittern der letzten Tage überschwemmt ist.
Bilanz Iowa
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25. Tag: Montag, 31. Mai
Strecke:
Lincoln - 6 - Emerald - Pawnee Lake State Recreation Area - 34 - Seward - York - Aurora
Wetter: bedeckt, kalt, dann Aufhellungen und wärmer; Seitenwind aus Nord; abends Gewitter
Distanz: 123 km  
Zeit: 6,0 h  
Geschwindigkeit: 20,5 km/h
Total:
Distanz: 2481 km  
Zeit: 132,7 h  
Ø Geschwindigkeit: 18,7 km/h  
Ø pro Tag: 99 km
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Bis ich endlich aus Lincoln heraus bin (obwohl ich die Stadt nur am südöstlichen Rand streife), muss ich weitere 10 km Autobahn, Auf- und Abfahrten und Interstate-Junctions über mich ergehen lassen. Da es morgen früh und ein Feiertag (Memorial Day) ist, hält sich der Verkehr in Grenzen. Der Hwy 34 ist zum Glück eine normale Strasse und eignet sich sehr gut zum Fahrradfahren, weil der grosse Verkehr über den I 80 geht. Bis Seward ist es hügelig, nachher so gut wie topfeben. Der Wind lässt nach, ich komme gut voran.
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Memorial Day: Patriotimus und Autos auf dem Friedhof (Utico, Nebraska, Hwy 34).
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Unterwegs halte ich bei einem Mann an, der mit seinem Auto eine Panne hat; ich verstehe zwar nichts von Autos, aber ich biete ihm mein Handy an, was nicht nötig ist, da er selber eines hat. Der Mann ist ganz erstaunt, dass ein Fahrradfahrer anhält. Aber schliesslich wäre ich auch froh, wenn jemand anhalten würde, wenn ich einmal eine Panne haben sollte.
In Seward werde ich bei einer Tankstelle von einem Mann mittleren Alters zu einem Hamburger-BBQ eingeladen. Der Typ ist aber sehr geschwätzig und mir unsympathisch; zudem sagt er schon im dritten Satz, die Gegend hier sei "very safe, no crimes, no murders, no burglars". Das macht ihn mir irgendwie verdächtig. Vor allem aber will ich weiterfahren.
Vor Nebraska haben mich alle Amerikaner gewarnt, es sei extrem langweilig. Ich habe das nie geglaubt und mich fast aus Trotz speziell auf Nebraska gefreut. Nach dem heutigen Tag muss ich aber feststellen: Nebraska ist tatsächlich langweilig. Topfeben, links und rechts immer noch nichts anderes als Maisfelder und Bewässerungsanlagen, ausgeräumte Landschaften; einzige Abwechslung sind die riesigen Grain Elevators (Getreidesilos) etwa alle 10 km mit einer mehr oder weniger kleinen Ortschaft darum herum sowie die Züge. Das Heulen der Lokomotiven und das Quaken der Frösche in den überschwemmten Strassengräben und in den Pfützen am Rande der Felder sind die einzigen Geräusche auf meiner Fahrt durch Nebraska.
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Von den Amerikanern vorgewarnt: Nebraska ist tatsächlich topfeben, langweilig und besteht nur auf Maisfeldern (Hwy 34 von Lincoln nach Grand Island).
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In Aurora möchte ich noch weiterfahren und käme dank günstigen Winden wahrscheinlich bis Grand Island, doch ich beende meine heutige Fahrt - aus Vernunft, da ich wieder einmal Knieschmerzen habe. Also nehme ich ein Zimmer im Budget Host Motel (28 $) und bin dann doch froh darüber, denn bald darauf beginnt wieder ein heftiges Gewitter. So bin ich wieder einmal trocken geblieben; das ist mir viel wert.
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26. Tag: Dienstag, 1. Juni
Strecke:
Aurora - 34 - Grand Island - 30 - Kearney
Wetter: am Morgen kalt und regnerisch, starker Gegenwind aus West; ab Mittag heiss und sonnig, weniger Wind
Distanz: 97 km  
Zeit: 4,9 h  
Geschwindigkeit: 19,8 km/h
Total:
Distanz: 2578 km  
Zeit: 137,6 h  
Ø Geschwindigkeit: 18,7 km/h  
Ø pro Tag: 99 km
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Bis Grand Island ist die Fahrt mühsam, denn ich habe direkten Gegenwind. Nach Grand Island dreht der Wind auf Nordwest, und da ich auf der 34 Richtung Südwest fahre, habe ich manchmal sogar ein bisschen Rückenwind.
Das Wetter ist an diesem Tag äusserst lebendig; die Wolken jagen schnell und tief am Himmel vorbei. Eine Gewitterfront nach der andern zieht über mich hinweg ohne zu regnen, was wahrscheinlich nicht so schlimm gewesen wäre, denn dahinter kommt jedes Mal wieder das schöne Wetter.
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Bedrohlich, aber immer davongekommen: über die Maisebenen dahinbrausende Gewitterwolken (Hwy 30, Grand Island nach Kearney).
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Ab Hwy 34 verläuft die Strasse parallel zur Eisenbahn; die extrem langen Züge und das Heulen der Sirenen der Lokomotiven faszinieren mich und sind meine einzige Unterhaltung, denn sonst gibt es keine Attraktionen, sondern nur Mais, Mais und Mais. Interessanterweise werden in Nebraska die gleichen Ansichtskarten mit Maissujets verkauft wie in Iowa, nur dass der Staatsname wechselt.
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Faszination Güterzug: 2 km lange Abwechslung in Nebraska.
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Da die Wetterprognosen für den Abend und die Nacht immer noch Gewitter vorhersagen, nehme ich mir am Interstate-Exit von Kearney wieder ein Motel. Im Days Inn (38 $) ist die Betriebsleiterfamilie sehr nett, ich darf sogar ihre private Waschmaschine brauchen. Unterhaltsam ist das Nachtessen im Whiskey Creek Steak House, wo man die Schalen der spanischen Nüsschen auf den Boden wirft und wo ich wieder einmal zwei Dinner brauche, bis ich einigermassen satt bin.
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Food-Gas-Lodging: in Kearney nicht anders als auf der ganzen Tour.
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27. Tag: Mittwoch, 2. Juni
Strecke:
Kearney - 30 - Lexington - Cozad - Gothenburg - North Platte
Wetter: warm, schön; guter Rückenwind aus Südost
Distanz: 153 km  
Zeit: 6,0 h  
Geschwindigkeit: 25,5 km/h
Total:
Distanz: 2731 km  
Zeit: 143,6 h  
Ø Geschwindigkeit: 19,0 km/h  
Ø pro Tag: 101 km
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Absoluter Wundertag: topfeben und Rückenwind vom Feinsten durch das North Platte River Valley. Ich komme so schnell und so weit voran wie noch nie. Ich nehme das Geschenk als ausgleichende Gerechtigkeit für die Tage in Illinois gerne an.
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Der erste Hügel nach über 1000 km Maismonokulturen: Zwischen Gothenburg und Brady am Hwy 30 in Nebraska beginnt die Prairie.
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Dazu kommt ein zweites Wunder (das Nebraska schlagartig zu einem der spannendsten Staaten macht): das Ende der Maismonokulturen. Es ist ausserordentlich eindrücklich, wie sich zwischen Gothenburg und Brady die Landschaft, die vorher während Hunderten von Kilometern zum Verwechseln ähnlich ausgesehen hat, sich innerhalb von 10 km total verändert. Kein Mais mehr, sondern sanfte Hügelzüge mit ausgedorrtem Gras: kurz, die Prärie, der Wilde Westen hat begonnen. Dazu passt auch, dass genau seit heute die meisten Männer Cowboyhüte und Cowboystiefel tragen.
Ich jage dahin durch menschenleere Gegenden mit sehr wenig Verkehr in Richtung North Platte und merke erstmals, dass diese Flussebene historische Bedeutung hat, denn durch das North Platte River Valley verläuft der Oregon Trail. Der Oregon Trail war der erste geglückte Versuch der Siedler, auf dem Landweg durch die Rocky Mountains bis an den Pazifik zu gelangen. Später haben hier im North Platte Valley viele Schlachten der US-Army gegen die Indianer stattgefunden.
Immer noch geniesse ich Zugsbegleitung; das Schienennetz wird hier sogar ausgebaut, aber nur für Güterzüge.
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Auch im kleinsten Kaff mehrere Kirchen: Religionsfreiheit ist einer der allerhöchsten Werte (Wood River, Nebraska, Hwy 30 nach Grand Island).
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In North Platte nehme ich mir im Travellers Inn am Hwy 30 ein Zimmer zu 34 $ und gehe danach in die Public Library. Diese Public Libraries gibt es fast in jedem Ort, und dort hat man gratis oder sehr günstig Zugang zum Internet und damit zum E-Mail, wie mir die beiden Tourenfahrer in Iowa gesagt haben. Erstmals verbreite ich direkt ein Email, nachdem bisher Franziska Reiseberichte verfasst und verschickt hat.
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Fortsetzung 28. Tag (Von North Platte zum Yellowstone)
© Robert Stark, San Francisco, USA, 1999
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